Mein zweiter Tag in Köln beginnt spät vormittags mit einem Gefühl, das ich lange nicht mehr so richtig intensiv hatte: HUNGER

Ich habe gestern tatsächlich ab 17h nichts mehr gegessen, denn ich wollte die Tipps, die mir Benno (siehe Beitrag von gestern) zur Ernährung gegeben hat, ausprobieren. Wie fühlt sich das an? Endlich wieder ein richtiges Hungergefühl. Toll. Erstmal genehmigen Bianca und ich uns ein richtiges Brunchfrühstück auf der sonnigen Terrasse.

Danach laufen wir nach Ehrenfeld. Ehrenfeld ist derzeit der boomende Stadtteil schlechthin in Köln. Hier will derzeit jeder hin, der sich hipp fühlt und auch so wohnen will. Das kulturelle Angebot ist hier enorm.

Kurz vor und nach der letzten Finanzkrise 2008 entdeckten Künstler und Studenten diesen bezahlbaren Wohnraum nahe Köln-City damals noch für sich. Nun steigen vermehrt Investoren ein und verändern das einst freie, kreative, bezahlbare Wohnumfeld Ehrenfelds massiv.
Das letzte mal habe ich mich 2006 in Ehrenfeld

für mehrere Wochen günstig eingemietet. In einem kleinen Apartment, damit ich und für den WDR Dokus schneiden konnte. Damals galt Ehrenfeld als “Problemviertel” mit vielen Ausländern. Es war nicht hipp. Heute will jeder irgendwie hin. Verrückte Welt, denke ich mir.
Wir besuchen in Ehrenfeld die sogenannte “Kunstroute”. Die Kunstroute kommt mir vor, wie ein Tag der offenen Tür der Kunstateliers, die Künstler sind anwesend, plaudern und verkaufen gerne ihre Werke. Wir besuchen insgesamt 4 Ateliers, aber für mich ist nichts dabei, was mich berührt.
Bianca erzählt mir, dass die Kunstszene von Köln derzeit ausdrucksstark sei. Fotos darf ich jedenfalls innerhalb der Ateliers nicht machen. Aber außerhalb:

Danach laufen wir um ein paar Ecken weiter, da findet dieses Wochenende ein StreetFood Market statt, ein Fest verschiedener Kochkulturen dieser Welt. Bianca isst koreanisch, ich eritreisch. Beides ist lecker. Dazu läuft Funk/Soul/Disco der 80er, der DJ legt Vinyl auf. Fühlt sich an wie ein Mini-Urlaub. Mehr darüber hier: http://street-food-festival.de/
Das Gelände des StreetFood Market u drum herum, genannt Helios Gelände, ist eigentlich eine Baustelle. Frühere Wohngebäude und Fabriken wurden zum Teil abgerissen, um neuen teureren Luxusapartments zu weichen. Ich frage mich, wie es wohl bald hier aussehen wird…
Wer mag, kann hier mehr darüber erfahren: https://www.ksta.de/koeln/ehrenfeld/subbelrather-strasse-metallwaren-fabrik-wird-wohnanlage-weichen-29941384
Danach besuchen wir das Kellerapartment von Jens, einem weiteren Freund von Bianca. Sein Apartment ist beeindruckend, sein Bett schwebt über einer Art hypergroßen Wohnbadewanne, in der sich sein Wohnzimmer befindet. Alles ist dunkel und hat seinen eigenen dunklen Flair.
Ich bin so sehr beeindruckt, dass ich völlig vergesse, Fotos zu machen. Jens passt mit seiner ganz hellen Haut, Vollglatze und klaren blauen Augen gut da hinein. Aber auch er hat einen Interessenkonflikt mit seinem Vermieter, der ihn gerichtlich herausgeklagt hat, wohl um aus seinem Kellerapartment mehr Miete zu erhalten. Das macht ihn wütend. Er hat so viel Mühe und Geld hineingesteckt, um sich zu verwirklichen. Ich kann seine Gefühlslage verstehen.
Er erzählt uns von seiner gerade vergangenen Gerichtsverhandlung darüber. Er darf zumindest vorerst bis Anfang Januar noch dort wohnen bleiben. Ein Teilerfolg. Uns bleibt nichts anderes übrig als Jens ein wenig bei zustehen. Das tut ihm gut, habe das Gefühl.
Zuhören, versuchen zu verstehen, Mensch sein – das fehle immer mehr, sagen mir immer wieder Kölner, mit denen ich ins Gespräch komme. Die Menschen fühlen sich oft als müssten sie für ihre Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung kämpfen. Das Gefühl kenne ich auch gut.

Morgen will ich einen vegetarischen Moussaka kochen, helfen die Terrasse von Bianca ein wenig umzugestalten und selbst ein wenig auf Tour gehen. Mal schauen welche Überraschungen auf mich warten.