Die Fahrt von Köln nach Luxemburg habe ich fast komplett im Auto meiner Mitfahrgelegenheit „verschlafen“. Als ich meine Augen öffne, sehe ich, dass wir in Luxemburg City angekommen sind.
Keine zehn Minuten später holt mich Josiane von dort ab und wir fahren mit ihrem Auto ihren Sohn, Louis, abholen. Mit Josiane kann ich mich auch gut unterhalten, wir haben viele gemeinsame Themen. Ausstieg aus dem Berufsalltag (sie ab Oktober 2018), Selbstverwirklichung, Wege zur Entspannung (Yoga, Meditation) und psych-k. Aber ich kenne sie kaum, ihre Familie noch gar nicht.
Nach seinem Leichtathletik-Training möchte dann Louis weiterfahren, unter Aufsicht von Josiane. Begleitetes Fahren. Er fährt uns sicher nach Hause. Dort lerne ich noch Liz, die jüngste Tochter, kennen. Später essen wir auf ihrer schönen Terrasse und unterhalten uns gut.

Ich finde es erkenntnisreich, Einblicke in familiäre Strukturen zu gewinnen. Josiane erzählt mir, dass es in ihrer Vorfahr-Familie über Generationen hinweg, nur Töchter gegeben hat. Sie selbst wuchs zusammen mit zwei älteren Schwestern (Zwillinge) und einer jüngeren Schwester.
Erst mit ihrem eigenen zweitgeborenen Kind, Louis, sei diese „Regel der Töchter“ gebrochen worden. Lea, Louis, Liz. In dieser Reihenfolge sind ihre Kinder geboren worden.
Josiane selbst ist auch diejenige, die nun eigene Wege gehen wird als Yoga-Lehrerin. Eigene Wege zu gehen hat sich bisher keine andere ihrer Schwestern zu getraut. Interessanterweise ist die Position Josianes innerhalb ihrer Elternfamilie die gleiche wie die Position von Louis innerhalb Josianes eigener Familie: mittendrin, 2te Stelle. Das finde ich bemerkenswert.
Ich darf in Josianes Behandlunsgzimmer schlafen, es ist ruhig und mit Buddhas dekoriert. Das passt zu meiner Reise, denke ich.
Am nächsten Morgen lerne ich dann auch Lea kennen, die älteste Tochter der Familie. Und Ihren Freund, Mohsen. Er ist ganz alleine von Afganistan nach Luxemburg geflüchtet. Über ihn gibt es hier ab Seite 32 einen bemerkenswerten Bericht auf französisch zu lesen. Serge, der Mann Josianes ist noch auf einer Motorrad-Tour in den Vogesen und kehrt morgen zurück.
Am frühen Nachmittag befinde ich mich auf dem Weg zu einem Treffen mit Jessi in der City von Luxemburg. Gleich findet hier auch der Luxemburg Marathon statt, die Musikgruppen heizen die Stimmung schon ein.
Jessi hat noch 7 Arbeitstage bei Villeroy & Boch vor sich. Danach nimmt sie sich eine Auszeit und möchte schauen, wie es sich anfühlt, selbstbestimmt und vom eigenen Gefühl geleitet zu leben und zu arbeiten. Das ist in dieser Stadt anscheinend etwas Ungewöhnliches, denn hier treffen eine traditionell dörfliche Struktur und ein ausgeprägtes Leistungsdenken aufeinander.

Bis Jessi sich soweit fühlte, ihren Weg gehen zu können, war es ein Prozess. Nun fühlt sie sich soweit. Sie erzählt mir davon, dass viele Leute ihr sagen, wie mutig sie es finden, dass sie sich eine berufliche Auszeit gönnt, ohne eine konkrete Zukunftsperspektive danach zu haben.
Umgekehrt finde ich es aber auch mutig, wie sehr Menschen an ihrer vermeintlichen Sicherheit (Beruf) hängen, obwohl viele in ihrem jetzigen Berufsleben nicht glücklich sind. Viele nehmen stressbedingte Krankheiten in Kauf und hoffen darauf, als Rentner ihr Leben frei gestalten zu können.
Das alles kenne ich und kann es verstehen, denn auch ich war nicht erfüllt in meinem unkreativen Cutter-Job beim SWR und habe trotzdem lange durchgehalten. Jedoch: Das Risiko krank zu werden, auf sich zu nehmen, ist für mich aber auch mutig. Was hat man dann noch von seiner ersehnten Rente?
Jessi hat auch Zeit gebraucht, bis sie das

Vertrauen in ihre Fähigkeiten entwickeln hat, die ihr auch in Zukunft ein erfüllendes Leben geben werden. Es fällt ihr natürlich noch hier und da schwer, Erwartungen, die andere Menschen an sie richten, nicht zu entsprechen, aber der Schritt zurück ist nun keine Alternative mehr für sie. Ich freue mich für sie, denn ich spüre, dass sie in Zukunft ihre Kreativität und ihre Fähigkeiten, besser einsetzen können wird.
Abends treffen Jessi und ich dann noch Nicole im Parc de Merl. Auf der Terrasse des dortigen Restaurants lassen wir uns nieder, um uns herum verläuft ein Teil der Marathonstrecke. Nicole kommt gerade von einem Kurs zur Familienaufstellung und strahlt über das ganze Gesicht. Ihre Augen auch.
Offensichtlich hat ihr der Kurs sehr gut getan. Wie sehr wir alle strahlen können, wenn wir uns erfüllt fühlen, denke ich mir. Wir bleiben dort bis kurz vor Mitternacht, die Gesprächsthemen wollen nicht ausgehen…

Am nächsten Morgen holt mich Josiane bei Jessi ab. Welch ein Luxus. Wie schön, dass sie sich beide kennen lernen, spüre ich. Beide können von diesem Kontakt jeweils profitieren. Josiane, die eine Yoga-Schule eröffnen möchte und Jessi, die sich in Public Relations gut auskennt und entsprechende Kontakte aufgebaut hat. Nebenbei betreibt Jessi einen eigenen blog, Lux Love, in dem sie ihre Verbundenheit zum Luxemburger Lebensflair präsentiert.

Am Mittag dann fährt mich Josiane zurück zu sich, wo wir gemeinsam mit Lea, Louis, und Liz zu Mittag essen. Lea arbeitet derzeit als Vertretungslehrerin in einer Luxemburger Grundschule und will ganz klar nicht Berufslehrerin werden.
Sie erzählt davon, wie schwer es ist in der Klasse zu unterrichten. Es gibt so viele Störungen in einer Klasse, dass an eine Vermittlung des Lernstoffes kaum zu denken ist. Eine entmutigende Erfahrung für sie.
Lea engagiert sich auch für die Umwelt. Viele Luxemburger aber interessieren sich nicht dafür, auch das ist nicht ermutigend. Sie ist sich unsicher, ob man als einzelner Mensch überhaupt etwas bewirken kann? Ich kann verstehen, dass man irgendwann daran zweifelt, dass sich “etwas” bewegen wird. Ich versuche sie zu ermutigen, authentisch zu bleiben, sie selbst zu sein. Ihre Mutter tut es und hat einigen Arbeitskolleginnen als Vorbild gedient.
Ich brauche aber gar nicht Lea zu ermutigen, denn als sie sich nach unserem Gespräch in Ihr Zimmer zurückzieht, um etwas zu lesen, hat sie die Antwort von selbst erhalten. Sie schlägt zufällig(?) eine Seite aus dem Buch von Julia Engelmann Jetzt Baby auf.
Seite 84. Meine Stimme.
Wenn ein Korn zu Boden fällt, wird es niemand es fallen hören. Doch fallen viele simultan, wird der Lärm die Ruhe stören. (Original-Zitat aus dem Gedicht)
In diesem Gedicht geht es darum, dass man sehr wohl einen Einfluss auf seine Mitmenschen hat. Ich freue mich für Lea, dass sie nun etwas anders auf ihr Engagement blicken kann.
Später lerne ich auch Serge, den Mann von Josiane, kennen. Er trifft gerade in voller Motorrad-Montur ein. Ich finde es beeindruckend, wie sehr er hinter Josiane und ihren Entscheidungen steht und sie ermutigt, ihren eigenen Weg zu gehen. Es scheint ihn, teilweise selbst zu erfüllen, seine Frau glücklich zu sehen.
Wenngleich das für ihn bedeutet, dass er ab Oktober 2018 zunächst der einzige sein wird, der die Familie finanziell versorgen kann. Morgen früh wird er sich erneut freiwillig auf seinem Fahrrad setzten und die 15km Strecke hin zu seiner Arbeit in Luxemburg Stadt bei Wind und Wetter zurück legen.
Damit ist er sogar viel schneller als all die Autofahrer, die täglich im Stau stehen, um zur Arbeit in die Stadt zu kommen. Und nach Feierabend wieder. Durch die Motorrad-Touren kann er vielleicht auch seinem Bedürfnis nach Freiheit ein wenig decken, hoffe ich.
Meine Zeit in Luxemburg geht auch langsam zu Ende. Ich habe hier spüren können, wie sehr eine stark leistungsorientierte Gesellschaft, auf der Suche nach Ausgleich und Entspannung ist. Aber ganz Vieles deutet für mich darauf hin, dass Leistung und Produktivität an erster Stelle stehen.
Auch Yoga “muss” sich im engen Takt des Arbeitsalltags anpassen. Kein Klient sei bereit für mehr Ruhe und Ausgeglichenheit, weite Strecken zu einer ruhigen Yoga-Schule außerhalb der Stadt in Kauf zu nehmen, erzählt mir Josiane.
Außerdem fällt mir auf, wie sehr eine stark leistungsorientierte Gesellschaft unser Denken und Fühlen beeinflusst und zwar dahingehend, dass es für uns normal erscheint, dass wir Menschen uns gegenseitig permanent bewerten und abwerten – bis ins Privatleben hinein.
Die Folgen davon spüren wir dann leider aber auch permanent: wir entmenschlichen uns voneinander und spüren selten echte Verbundenheit. Gegenseitige Verletzungen, hohe Erwartungshaltungen, Leistungsdruck und Vereinsamung treten an die Stelle, an die echte Empathie und Verständnis für einander stehen können.
Viel zu tun. Luxemburg kann ein richtig guter Arbeitsplatz für Therapeuten sein.
Vielen lieben Dank an Jessi und Josiane + Familie, es ist eine Bereicherung euch kennengelernt zu haben. Bisous.
Meine nächste Station wird wohl Gau-Algesheim bei Mainz werden. Weshalb erzähle ich bei der nächsten Folge.
Schön, dass Du in Luxemburg warst und in meinem Leben bist!
Danke Jessi, ich umarme dich ganz herzlich!
cool deine Reise.
Gespannt lese ich deine Erlebnisse mit-
Danke Olina, ich bin gespannt, wann und wie wir uns wieder treffen!
Yo Polis. Folge Dir auch. Viel Glück Mann!